Long-Covid-Syndrom

Wenn Beschwerden bleiben – Verständnis für eine komplexe Folgeerkrankung

Was bedeutet Long-COVID eigentlich?

Viele Menschen erholen sich vollständig nach einer Corona-Infektion. Bei einigen jedoch bleiben Beschwerden bestehen – teilweise über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinweg. Diese anhaltenden Symptome werden unter dem Begriff Long-COVID oder Post-COVID-Syndrom zusammengefasst.

Während Long-COVID meist Beschwerden bezeichnet, die länger als vier Wochen nach der Infektion andauern, spricht man von Post-COVID, wenn Symptome mehr als 12 Wochen bestehen und nicht anders erklärbar sind. Häufig werden diese Begriffe aber auch synonym verwendet.



Häufige Symptome

Die Beschwerden bei Long-COVID sind vielseitig und betreffen unterschiedliche Organsysteme. Häufig genannt werden:

Diese Symptome treten oft in wechselnden Kombinationen auf und schwanken im Tages- oder Wochenverlauf – was die Erkrankung besonders belastend macht.



Wer ist betroffen?

Long-COVID kann grundsätzlich Menschen jeden Alters betreffen – auch solche, die zuvor gesund waren oder nur einen milden Verlauf der akuten Erkrankung erlebt haben. Besonders häufig betroffen scheinen:

Ein Großteil der bisher in unserer Praxis behandelten Long-COVID-Patienten gehörte zu den ersten beiden Gruppen. Es waren meist Frauen in dem genannten Alter, viele davon beruflich überdurchschnittlich engagiert und privat stark belastet – etwa alleinerziehend oder beim Hausbau – und sie stellten typischerweise hohe Ansprüche an sich selbst. Vermutlich befanden sie sich deshalb bereits vor der Infektion auf irgendeine Art am Limit, auch wenn dies subjektiv nicht immer so wahrgenommen wurde.



Wodurch entsteht Long-COVID?

Die Ursachen der Long-COVID-Symptomatik sind noch nicht vollständig verstanden. Die wissenschaftliche Forschung geht von einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem das Immunsystem, Stoffwechsel, Nervensystem und Mitochondrien eine Rolle spielen.



Wie häufig ist Long-COVID?

Die Schätzungen über die Häufigkeit eines Long-COVID-Syndroms variieren je nach Studie und Definition des Syndroms. Generell beschränken sich die verfügbaren Zahlen aber überwiegend auf Erkrankungen in der Pandemiephase zwischen 2020 bis 2022.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass etwa 10–20 % der Menschen, die in der Pandemie an COVID-19 erkrankt sind, ein Long-COVID-Syndrom entwickelt haben, also nach 6 Monaten noch Symptome aufwiesen.

Dabei hat sich gezeigt, dass die Häufigkeit von Long-COVID in den letzten Jahren mit den veränderten Virusvarianten (z.B. Omikron) und durch zunehmende Immunität in der Bevölkerung tendenziell zurückgegangen ist(1, 2, 3). Dennoch bleibt die Gesamtzahl der Betroffenen aufgrund der hohen Infektionszahlen weiterhin hoch, und eine erhebliche Anzahl Menschen hat langanhaltende gesundheitliche Einschränkungen(3).

Nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen aus Deutschland gab es zum Dezember 2024 rund 871.000 aktive Long-COVID-Fälle. Zusammen mit etwa 650.000 Fällen von ME/CFS, einer verwandten Folgeerkrankung, sind insgesamt über 1,5 Millionen Menschen in Deutschland von schweren Long-COVID- oder ME/CFS-Erkrankungen betroffen. Diese Daten stammen aus einer im Mai 2025 veröffentlichten Studie der ME/CFS Research Foundation und Risklayer, die auch die erheblichen gesellschaftlichen Kosten dieser Erkrankungen (rund 63 Milliarden Euro im Jahr 2024) beschreibt(4).



Fazit

Long-COVID ist weit mehr als eine anhaltende Erschöpfung nach einer Infektion. Es handelt sich um ein vielschichtiges Krankheitsbild, das sich durch isolierte Organbefunde oft nicht erklären lässt – geschweige denn ursächlich behandeln.

Die funktionelle Medizin ermöglicht hier einen Perspektivwechsel: Weg von der reinen Symptom- oder Organbetrachtung – hin zur tieferliegenden Systemebene. Dort, im „Maschinenraum“ des Körpers, finden wir häufig deutliche Dysbalancen – etwa in der Energieversorgung, der Immunregulation, dem Mikrobiom oder dem hormonellen Gleichgewicht.

Auch wir haben kein Wundermittel gegen Long-COVID. Aber wir nehmen uns die Zeit, individuell zu analysieren, was aus dem Gleichgewicht geraten ist. Durch funktionelle Diagnostik und gezielte, systemisch orientierte Therapien gelingt es uns immer wieder, zentrale Stellschrauben zu identifizieren – und Bewegung in festgefahrene Prozesse zu bringen.




Quellen
  1. https://www.mdpi.com/1999-4915/14/12/2629
  2. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0264410X2401346X
  3. RKI FAQ zu Long-COVID
  4. ME/CFS Research Foundation: Kostenbericht 2024